Wahrheit vs. Illusion
Generell ist die Wahrheit immer subjektiv. Es gibt nicht die eine Wahrheit. Und allein der Fakt selbst, dass die Wahrheit die Wahrheit ist, stimmt nicht immer. Es gibt immer mehrere Perspektiven die Wahrheit zu betrachten und jeder Mensch betrachtet eine Wahrheit aus einer anderen Perspektive. Und jeder hat Recht.
Doch was ist nun der Unterschied zu einer Lüge und damit zu einer Illusion?
Jeder Mensch wächst mit der einen Wahrheit auf. Der Wahrheit, die einem während des Heranwachsens beigebracht wurde. Das ist und bleibt so lange eine Wahrheit, bis der Mensch anfängt, diese Wahrheit anzuzweifeln und zu hinterfragen. Jeder Mensch lebt das Leben, was einem vorgelebt und beigebracht wurde. Doch was ist, wenn das nur eine Lüge und demnach eine Illusion ist? Es liegt an jedem Menschen, diese Lüge und diese Illusion zu hinterfragen. Einfach für sich selbst zu hinterfragen, ob das, was man glaubt, die Wahrheit ist. Doch das zu hinterfragen ist manchmal nicht einfach. Es ist oft viel einfacher, einfach das weiterzuleben, was einem beigebracht und vorgelebt wurde. Manchmal ist eben das wünschen, dass eine Lüge wahr ist, größer als das bewusste Erkennen wollen einer Wahrheit. Manchmal ist es einfach leichter zu glauben, dass diese Lüge die Wahrheit ist.
Doch was passiert über die Zeit? Ist das dann verdrängen, wenn sich der Mensch (unbewusst) selbst belügt bzw. der Wahrheit nicht ins Auge sehen kann und will? Es gibt wohl diesbezüglich einen Unterschied, ob bewusst oder unbewusst. Eine Lüge ist oft eine bewusst erzählte Lüge, die aus dem Verstand entspringt. Der Mensch erzählt diese Lüge und weiß, dass es eine Lüge ist (obwohl in meinen Augen jeder Mensch die Fähigkeit besitzt eine wiederholt erzählte Lüge ebenfalls zu glauben). Mit einer unbewussten Lüge, also in einer Illusion zu leben, ist etwas Anderes. Und die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie mit einer oder oft auch weitaus mehreren Lügen leben. Sie leben dann unbewusst in einem Netz der Illusion. Anders gesagt: in einer vermeintlich bewussten Wahrheit. Diese Illusion besteht aus einem Netz von unterschiedlichen Gedankenmustern und Glaubenssätzen; die entweder von den Eltern und/ oder Großeltern weitergegeben wurden oder eigens geglaubt und im System verankert wurden. Diese Glaubensmuster sind bei den meisten Menschen tief verankert und darauf baut sich dann das gesamte Leben auf. Aber stimmen diese Glaubensmuster auch? Bis sich der Mensch nicht selbst hinterfragt, also diese Gedankenmuster hinterfragt, stimmen sie wohl zu (fast) 100%. Der Mensch ist gefangen in diesem Netz und lebt auf einem sehr instabilen Fundament. Aber oft ist es einfacher, einer Lüge zu glauben als der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Doch mit diesen Gedankenmustern und Glaubenssätzen sind Gefühle, Emotionen und Empfindungen wie Trauer, Wut, Schuld, Scham und die eigenen Werte verbunden. Die Illusion ist ja nur scheinbar richtig. Was dahinter steht, sind Gefühle, die negativ behaftet sind. Fragen wie „Bin ich es mir Wert?“ oder „Erlaube ich mir das oder das?“ können in dieses Netz aus Lügen eingreifen. Sätze wie „Ich kann das nicht!“ oder „Ich bin so blöd!“ werden einfach gesagt, ohne sich zu fragen, ob das überhaupt stimmt. Sich selber zu hinterfragen und sich selber diese Fragen zu stellen, ist in meinen Augen ein wichtiger Schritt, sich selbst besser kennen zu lernen. Auf diese Weise kann der Schleier der Illusion fallen. Denn dieses Netz aus Illusion implementiert nämlich auch, dass der Mensch ein Leben eines anderen führt. Es ist nicht das eigene Leben, was gelebt wird. Die Antworten, die das Hinterfragen der eigenen Glaubensmuster hervorrufen können, können demnach ziemlich schmerzhaft sein. Sie können den Menschen tief in seinem Sein erschüttern, wenn plötzlich die Illusion aufgedeckt wird und der Mensch spürt, dass er all die Jahre eine unbewusste Lüge gelebt hat und nicht die eigene Wahrheit. Die Schmerzen, die damit verbunden sind, sind manchmal einfach zu groß und zu schwer zu ertragen. Die Lüge ist oftmals der komfortablere, bequemere Weg. Und irgendwie hat dieser Glaube auch ein bisschen mit Selbsterhaltung und Überlebenstrieb zu tun. Die Wahrheit würde den Menschen zerbrechen. Die Lüge hält einem am Leben. Manchmal ist es demnach ein Schutz. Ein Schutz vor dem Schmerz, vor den Bildern und vor all den Gefühlen, die mit dieser unbewussten Lüge bzw. vermeintlich bewussten Wahrheit zusammenhängen. Manchmal ist allein die Wahrheit zu überfordernd für das System,. Für das System scheint es leichter mit einer Lüge zu leben, denn dann sind all die negativen Emotionen, die mit dieser Lüge in Verbindung stehen, vermeintlich nicht real. Dieser sensible und sanfte gefühlvolle Teil in einem Menschen wird dann sozusagen abgespalten - und der starke, funktionierende und alltagstaugliche Teil bekommt das Vorrecht.
Aber was passiert mit der emotionalen, gefühlvollen und sensiblen Seite? Der Seite, die alle Emotionen und alle Empfindungen wie Wut, Trauer, Schuld, Scham in sich trägt und eigentlich nur gesehen werden will? Doch solange dieser Teil tief vergraben bleibt, dort, wo somit die eigentliche Wahrheit vergraben ist, bekommt die Wahrheit nie eine Berechtigung, ein Gesicht. Dieser Schmerz wird somit nie erhört werden und bekommt nicht die Chance, sich aufzulösen. Die Lüge bekommt die Monopolstellung. Die Wahrheit nur das Wahlrecht. Die Wahrheit steht in zweiter Reihe. Und es bleibt ein Wahlrecht, solange, bis sich der Mensch dazu entscheidet, die Illusion platzen zu lassen.
Doch was passiert, wenn der Schleier der Illusion fällt und die Wahrheit ans Licht kommt?
Jeder Mensch hat die Wahl zwischen Angst und Liebe. Angst liegt da, wo der Verstand ist, Liebe dort, wo das Herz ist. Und obwohl die Angst bei sehr vielen Menschen sehr viel Raum einnimmt und einfach größer zu sein scheint, siegt die Liebe immer. Und somit auch die Wahrheit. Bei manchen Menschen dauert es eben nur viel länger. Menschen bereuen nie das, was sie getan haben, sondern immer nur das, was sie eben nicht getan haben. Aus Angst vor den unterschiedlichsten Gefühlen wie Scheitern, Zurückweisung, Einsamkeit. Aber jeder Schmerz ist irgendwann, wenn die Zeit gekommen ist, vorbei und es wird leichter zu ertragen. Und irgendwann ist er vorbei. Einfach so. Und aus der Lüge wurde Liebe.
Die Lüge hingegen, die so schön und sicher ihren Platz all die Jahre bekam, versteht nicht, warum sie jetzt ausgegraben und angeguckt wurde. Vielleicht empfindet die Lüge das sogar als Verrat und wird sich wehren. Meiner Erfahrung nach wehrt sich eine Lüge fast immer. Nämlich mit Kopf- und Nackenschmerzen, innerer Unruhe und das Gefühl, in einer Zwischenwelt zu sein. Doch der sensible und liebevolle Teil in einem Menschen wird es einem danken, weil es endlich aus der Enge kommt. Die Gefühle und Empfindung, die in diesem Netz der Illusion all die Jahre feststeckten, kommen endlich raus und sind frei. Und was auch immer mit der Lüge hochkommt, jeder Mensch kann es ertragen. Denn umgekehrt hat der Mensch diesen Schmerz auch all die Jahre ertragen. Dieser Schmerz wiegt vielleicht anfangs schwer, aber irgendwann löst sich diese Last in Luft auf und es bleibt lediglich die Erinnerung daran. Der funktionierende Teil meint vielleicht nur, dass eine Lüge leichter zu ertragen ist.
Aber ist sie das wirklich?
Denn letztlich wird für diese Strategie der Verdrängung unglaublich viel Kraft aufgewendet. Diese schwere Last all die Jahre getragen zu haben, wird dem Menschen erst hinterher bewusst. Das Erkennen wie schwer diese Last eigentlich war. Denn mit dem Abwerfen dieser Last entsteht Leichtigkeit. Den Unterschied bemerkt ein Mensch aber erst viel später. Diese Metamorphose kann ein Geschenk sein. Dazu gehört sicherlich viel Mut und den eigenen Willen, in Freude und Leichtigkeit leben zu wollen. Vor allem aber den Wunsch zu haben, ein authentisches und autonomes Leben führen zu wollen und aus dem Netz der Illusion ausbrechen zu wollen. Sicherlich ist das nicht einfach, aber in der Wahrheit liegt die Freiheit; nicht in einer Lüge.
Mit einer Lüge handelt man anders. Eine Lüge verzerrt die Wahrheit, die Entscheidungen und letztendlich das gesamte Leben. Wie würde man handeln, wenn die Lüge nicht mehr eine Lüge wäre, sondern die Wahrheit? Aber eine Lüge kann relativ sein. Denn allein der Mensch beschließt, dass die Lüge eine Lüge ist und Illusion bleibt oder die Wahrheit die Wahrheit. Die tatsächliche Wahrheit kann jedoch für den einen Menschen eine Lüge sein, für jemand anderen weiterhin die Wahrheit. Alles ist subjektiv. Perspektiven gibt es Tausende. Interpretationen ebenfalls. Solange sich also ein Mensch in seiner Illusion wohl fühlt, wird es eine Lüge bleiben. Aber egal, ob es eine Lüge ist oder die Wahrheit, es hat immer eine Berechtigung. Wichtig ist demnach, dass es eben nicht nur die eine Wahrheit gibt, sondern viele. Es kommt auf jeden Menschen selbst an, ob er mit einer Lüge und in einer Illusion leben möchte oder endlich die Wahrheit erkennen will. Und daher sollte sich jeder Mensch mindestens einmal im Leben fragen, wo sich Lügen verstecken können und in welchen Bereichen eine Illusion gelebt wird. Und wofür sich jeder Mensch entscheidet bleibt nur jedem Einzelnen überlassen.
Egal, wie sich jeder Mensch entscheidet, ich bin der Überzeugung, dass irgendwann die Wahrheit ans Licht kommt und die Lüge verdrängen wird. Bei manchen Menschen macht das eine Krankheit; bei anderem wiederum ein traumatisches Erlebnis wie zum Beispiel ein Tod eines nahen Familienmitglieds. Doch solange ein Mensch nicht die Realität erkennen will, trägt der Mensch die Last der Lüge auf seinen Schultern. Und diese Last wiegt schwer und wird mit der Zeit schwerer und schwerer irgendwann ist die Lüge vergessen, doch die Last ist immer noch da.
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